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Der professionell startende Bruchpilot

Der Maikäfer sieht von Nahem ein wenig «gfürchig» aus, ist aber komplett harmlos. Er ist allgemein kein guter Flieger, wenn er aber zum Flugstart ansetzt, macht er dies höchst professionell.

Südostschweiz
28.05.23 - 04:30 Uhr
Klima & Natur
Im Frühling aktiv: Ein Maikäfer krabbelt über ein Blatt.
Im Frühling aktiv: Ein Maikäfer krabbelt über ein Blatt.
Bild Keystone

von Monica Marti*

Nein, gute Flieger sind sie nicht. Wer einen Maikäfer laut brummend auf sich zusteuern hört, weicht besser aus. In diesem Jahr ist das weniger der Fall, aber zum Beispiel 2020 war im Glarnerland ein Maikäfer-Flugjahr. Es war die Gelegenheit also, den schokoladebraunen Frühlingsboten mit den betörend schwarzen Knopfaugen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Man kann ihn dazu getrost über die Hand krabbeln lassen: Er beisst nicht, sticht nicht und ist so harmlos, wie er aussieht. Nur die Wiederhäkchen an seinen Beinen kitzeln. Mit ihrer Hilfe kann sich der Käfer fast überall festhalten. Wer einen Maikäfer beobachtet, entdeckt Faszinierendes. Zum Beispiel die fein gefiederten Fühler. Diese sitzen links und rechts am Kopf und sind ein ausgezeichnetes Riechorgan. Fächern Maikäfer die Fühler-Lamellen auf, filtern sie damit Duftstoffe aus der Luft. Wie uns der Duft von frischgebackenem Brot zur Bäckerei lockt, folgen Männchen dem Geruch von angebissenen Blättern zu Laubbäumen. So finden sie die dort fressenden Weibchen. Diese unsichtbare Duftspur funktioniert über mehrere Hundert Meter. Maikäfer sind also wahre «Spürhunde».

Die Sache mit der Flugsicherheit

Doch wer ist eigentlich wer bei den Käfern? Auch das verrät ein Blick auf die Fühler: Männchen brauchen leistungsfähigere «Nasen» für die Partnersuche. Daher sind ihre Riechorgane grösser und mit sieben Lamellen ausgestattet. Die kleineren der Weibchen besitzen nur sechs. Das Sprichwort «harte Schale, weicher Kern» trifft hingegen auf beide Geschlechter zu. Unter den für Käfer typischen harten Vorderflügeln verbirgt sich nämlich ein zweites, zartes und durchscheinendes Flügelpaar. Dieses wird aber erst vor dem Abflug ausgepackt. Auch das ist sehenswert.

Im Gegensatz zu seinen Bruchlandungen wirken die Startvorbereitungen des Maikäfers nämlich höchst professionell und brauchen Zeit: Zuerst pumpt der Käfer Luft in seinen Körper, um ihn flugfähig zu machen. Danach werden die als Tragflächen dienenden harten Flügeldecken abgespreizt. Sind die darunterliegenden Hautflügel endlich entfaltet, erzeugt der Käfer mit ihnen durch heftiges Flügelschlagen den nötigten Auftrieb. Spätestens jetzt heisst es für Beobachter wieder «Kopf runter». Denn nach dem geglückten Start ist es mit der Flugsicherheit des Maikäfers ja bekanntlich so eine Sache.

* Monica Marti ist Biologin und Co-Leiterin des Naturzentrums Glarnerland in Glarus.

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