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Das Linthwerk war vor 200 Jahren das erste Grossprojekt der Schweiz

Vor 200 Jahren, im August 1823, wurde die Linthkorrektur mit Escher- und Linthkanal vollendet und an die Kantone Glarus, St. Gallen und Schwyz übergeben.

Agentur
sda
13.08.23 - 21:29 Uhr
Klima & Natur
«Das Linthwerk ist nie fertig»: Die Linth im Kundertriet in Mollis.
«Das Linthwerk ist nie fertig»: Die Linth im Kundertriet in Mollis.
Pressebild/Archiv

Der Hochwasserschutz verbesserte die Lebensbedingungen in der von Überschwemmungen geplagten Linthebene enorm. Als erstes technisches Grossprojekt der Schweiz prägte das Linthwerk deren Selbstverständnis.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich am Walensee und in der angrenzenden Linthebene eine prekäre Situation. Wegen Geschiebeablagerung und Verlandung kam es zu einem Wasserrückstau.

Die Ebene wurde zwischen Weesen und Ziegelbrücke immer wieder verheerend überschwemmt, ebenso Walenstadt. Kulturland ging verloren, Malaria sowie Tuberkulose breiteten sich aus und Orte rund um den Walensee waren kaum noch bewohnbar.

Der Zürcher Universalgelehrte, Staatsmann und Bauingenieur Hans Konrad Escher sah 1786 auf einer Reise erstmals die katastrophalen Lebensumstände. Die Linth floss damals noch aus dem Glarnerland am Walensee vorbei und schlängelte sich direkt in den Zürichsee.

Escher, selber kein Wasserbau-Fachmann, griff auf Pläne zurück, die der Berner Ingenieur Andreas Lanz bereits 1784 ausgearbeitet hatte. Doch erst Escher mit seinen guten Beziehungen in die Politik gelang es, die Tagsatzung der eidgenössischen Kantone 1804 zur ausserordentlich kostspieligen Umsetzung zu bewegen.

Finanziert wurde das Grossbauwerk auch mit Volksaktien. Das machte das Linthwerk zur einer Nationalunternehmung.

Linth in Walensee umgeleitet

Das Husarenstück des Linthwerks war die Umleitung der wilden Linth im Escherkanal vom glarnerischen Mollis in den Walensee. Der See diente fortan als Hochwasserpuffer und der Fluss lagerte sein Geschiebe nun folgenlos dort ab.

Escher kanalisierte und vertiefte den Abfluss des Walensees und senkte dessen Wasserspiegel um mehr als fünf Meter. Der Bau des 17 Kilometer langen Linthkanals fast bis zum Zürichsee dauerte bis 1816. Nach weiteren Arbeiten wurde das sogenannte Linthwerk 1823 von der eidgenössischen Tagsatzung an die Anrainerkantone übergeben. Im gleichen Jahr starb Escher.

«Ohne den Geist der Aufklärung wäre das Projekt - ein Musterbeispiel für die Zähmung der Natur durch den Menschen - nicht denkbar gewesen», schreibt das Linthwerk auf seiner Webseite. Die schnurgerade Führung der Kanäle sei Ausdruck für den Ordnungswillen des 18. und 19. Jahrhunderts.

«Das Linthwerk war das erste Grossprojekt der damaligen, noch jungen Schweiz», erzählt dessen operativer Leiter, Markus Jud, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es sei 25 Jahre vor der Bundesstaatsgründung vollendet worden.

Der Bau habe damals den Akteuren im Land die Gewissheit gegeben, dass gemeinsam ein so grosses Werk realisiert werden könne. Von einem «integrierenden Gründungsmythos der modernen Schweiz» ist auf der Linthwerk-Webseite die Rede.

«Heute nicht realisierbar»

In der jetzigen Zeit wäre das Linthwerk mit seinem grossen «Impact» auf die Umgebung kaum realisierbar, erklärt der Linthwerk-Chef. Die Anforderungen an ein Wasserbauprojekt seien viel komplexer als dazumal. Zum Hochwasserschutz gesellen sich Naturschutz und auch die Freizeitnutzung.

«Heute würde man vermutlich eine Flussform wählen, die angenähert ist an eine natürliche Charakteristik und eingebettet in die Landschaft», sagt Jud. Auf eine Ableitung der Linth in den Walensee würde verzichtet, dafür würden grössere Abflussprofile gewählt und höheren Dämme gebaut.

Hochwasserschutz und Naherholungsraum

Trotz schnurgerader Kanalführung hat sich das Linthwerk zu einem Naherholungsraum für die Bevölkerung entwickelt. Seine Hauptfunktion ist aber nach wie vor der Schutz vor Hochwassern.

Erst dank der Hochwassersicherheit habe sich die Linthebene entwickeln können, betont der Linthingenieur. «Ohne Linthwerk gäbe es keine prosperierende Wirtschaft, keine Autobahn, keine Stromübertragung mit Hochleistungsmasten.»

Seit der Gesamtsanierung ab 2008 sei es weit mehr als nur ein Werk, das vor Hochwasser schütze. «Der Mehrwert für die Natur und als Naherholungsgebiet ist beträchtlich.» Bei der Sanierung wurden nicht nur Dämme verstärkt, sonder auch Kanalabschnitte aufgeweitet und renaturiert und Wanderwege angelegt. Weitere Renaturierungen gemäss den Vorgaben des Bundes sind geplant.

Das 200-jährigen Jubiläums des grossen Hochwasserschutz-Werkes wird mit einer permanenten Ausstellung am Linthkanal gefeiert. Sie zeigt die bewegte Geschichte des Bauwerks und seine heutige Bedeutung. Die Ausstellung wird am 24. August im Rahmen eines Festaktes mit geladenen Gästen eröffnet.

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