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Wielands Kritik an Romanen stösst auf wenig Verständnis

Romanisch sei nicht karrierefördernd, sagt Andreas Wieland, Direktor der Bonaduzer Hamilton AG und Präsident von Graubünden Ferien. Politiker und Sprachwissenschaftler wehren sich jetzt dagegen.

Südostschweiz
28.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Reto Furter

Chur. – Romanisch und Italienisch hätten für die Bündner Exportwirtschaft keine Relevanz und gehörten in die Kategorie Folklore. Das schrieb vor einigen Wochen Andreas Wieland, Direktor der Hamilton AG in Bonaduz, den Veranstaltern einer Tagung zu «Mehrsprachigem Lehren und Lernen» an der Pädagogischen Hochschule Graubünden in Chur (Ausgabe vom Donnerstag).Romanen, die sich bei der Hamilton AG bewerben würden, beherrschten «oft ungenügend» Deutsch, so Wieland weiter. Romanen müssten daher gelegentlich «Zusatzschlaufen drehen», um dasselbe zu erreichen wie Personen mit schweizerdeutscher oder deutscher Muttersprache.Seine Aussagen sorgen jetzt in Graubünden und in akademischen Fachkreisen für einigen Wirbel (siehe auch die «Tribüne» des Romanisten Rico Valär unten). Wieland habe den romanischen Slogan «Tgi che sa rumantsch sa dapli» nicht verstanden, kritisierte Leserbriefschreiber Flavio Huonder (Ausgabe vom Freitag). In die gleiche Kerbe schlägt auch Valär, wenn er schreibt, Mehrsprachigkeit sei «persönlich wertvoll» und der Karriere «absolut förderlich».Vincent Augustin, Präsident der romanischen Sprachorganisation Lia Rumantscha und Bündner Grossrat, nimmt kein Blatt vor den Mund. Wenn Wieland solche Aussagen als Hamilton-Direktor mache, sei ihm das natürlich unbenommen, sagt er. Von einem Repräsentanten von Graubünden Ferien erwarte er aber ein Einstehen für die Bündner Eigenheiten. Was Wieland gesagt habe, sei «nicht sehr klug».Sämtliche wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen laut Augustin, dass die Fähigkeit, sich in einer einzelnen Sprache auszudrücken, bei Mehrsprachigen nicht eingeschränkt sei. Das sagt auch Urs Cadruvi, Generalsekretär der Lia Rumantscha. Die Aussage von Wieland sei falsch. Der Hamilton-Chef habe den Sack geschlagen, aber wohl den Esel gemeint.Das Problem der Bündner Exportwirtschaft seien nicht mangelnde Sprachkenntnisse ihrer Mitarbeitenden, sondern fehlendes Know-how im naturwissenschaftlichen Bereich. Allerdings verpasse man in Graubünden viele Chancen, so Cadruvi, weil generell zu wenig immersiv unterrichtet werde. Damit könne man etwa kulturwissenschaftliche Fächer teilweise in Englisch, Italienisch oder Romanisch unterrichten.

Wissenschaft wiederspricht Wieland

Wissenschaftler bestätigen die Aussagen der beiden. Er kenne keine ernst zu nehmenden Wissenschaftler, die behaupten würden, Zweisprachigkeit bringe generell Nachteile, sagt etwa der Romanist Matthias Grünert, der als Oberassistent für Rätoromanische Sprachwissenschaft an der Universität Zürich arbeitet.Sprache sei mehr als nur ein Kommunikationsmittel und wirtschaftlicher Karrierefaktor, kritisiert der Bündner Sprachwissenschaftler Gian Peder Gregori die Aussage von Wieland. Wenn der oberste Vertreter von Graubünden Ferien derart mit der sprachlichen und kulturellen Vielfalt im Kanton umgehe, dann sei das «höchst problematisch».

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