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«Das Buch hat eine lichtvolle Botschaft»

Die glarnerisch-rumänische Autorin Dana Grigorcea hat mit ihrem Roman «Die nicht sterben» den Schweizer Literaturpreis 2022 gewonnen. Am 25. März liest sie in der Landesbibliothek Glarus.

Südostschweiz
15.03.22 - 04:30 Uhr
Kultur
Erfolgsautorin: Dana Grigorcea liest in Glarus.
Erfolgsautorin: Dana Grigorcea liest in Glarus.
Bild Gaetan Bally/Keystone

von Swantje Kammerecker

Ein Nachmittag in Zürich. Dana Grigorcea redet schnell, entschuldigt sich dafür. Ihre Leidenschaft für die Literatur, ihr Interesse für Menschen, ihr soziales Engagement schwingen immer mit. Schon bevor sie mit ihrem Mann, dem Glarner Schriftsteller Perikles Monioudis, 2019 den Verlag Telegramme gründete, hatten sie Benefiz-Lesungen organisiert – eine Plattform für Autoren und ein Kanal, um Menschen zu unterstützen. Der preisgekrönte Roman «Die nicht sterben» (2021) ist nicht ihr erstes Buch, auf Deutsch liegen bereits drei Werke und fünf Kinderbücher vor. Sie erhielt zuvor schon etliche Preise, ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Grigorcea äussert sich dezidiert auch zu (gesellschafts-)politischen Themen. Sie steht öffentlich zu ihrer Meinung über den Ukraine-Krieg: «Wir müssen uns von Putin distanzieren!» 1979 geboren und in Bukarest aufgewachsen, weiss sie zu gut, was es heisst, in einer Diktatur zu leben.

Wie war es für Sie, den Schweizer Literaturpreis zu bekommen?

Dana Grigorcea: Es war eine riesige Freude. Allerdings hat das Buch vorher schon eine grosse Aufmerksamkeit erhalten, vom Lesepublikum, in allen möglichen Medien und vielen Rezensionen, in Leserbriefen und so weiter. Das war wirklich unglaublich. Insofern war es nicht die allergrösste Überraschung. Von den Echos, die ich erhalte, sind mir aber nicht nur Preise und Ehrungen wichtig, sondern jeder einzelne Leserkontakt, jeder Austausch. Vom Bundesamt für Kultur, vom Bundesrat ausgezeichnet zu werden, freut und ehrt mich aber natürlich sehr.

«Die nicht sterben» wurde auch für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Ja, im Ausland ist das Buch sehr präsent, ich bin viel für Lesungen gereist, trotz Corona. Es ist einfach schön, wie eins das andere ergibt. Auch Stipendien für Künstler-Residenzen wurden mir angeboten, aber das passt gerade nicht in mein Leben, ich habe eine Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern und kann nicht auf ein Schlösschen ziehen, um zu schreiben. (lacht)

Welcher Gedanke stand hinter der Idee für Ihr Buch?

Das Vampirmotiv wurde vielfach trivialisiert und verkitscht. Mich hat die Frage beschäftigt: Woher kommt die morbide Lust in einigen Ecken der Gesellschaft, sich mit den heutigen Fürsten der Dunkelheit einzulassen, ja gar nach ihnen zu rufen? Ich dachte damals schon sehr konkret an Wladimir Putin oder Donald Trump, an zunehmend radikale Diskurse auch in Demokratien. Wenn ich unterdessen sehe, wie sich das weiterentwickelt hat, schaudert es mich. In geschlossenen Kreisen, unterstützt durch die sozialen Medien, formieren sich Gewaltfantasien, während andere – wie die Protagonisten meines Romans – sich zunehmend in die private Idylle zurückziehen. Zurück zum Vampirmotiv, es macht sehr drastisch klar, wie destruktive Kräfte eine Gesellschaft aussaugen. Und wichtig: Man kann Dunkelheit nicht mit Dunkelheit besiegen, sondern nur mit Licht, Liebe …

Das wäre dann auch eine positive Botschaft Ihres Buches?

Unbedingt. Ich wollte nicht nur düster, sondern lebendig, leidenschaftlich, sinnlich und lichtvoll schreiben. Von dem eigentlich wunderbaren Streben der Menschen nach Schönheit – und dem dabei Schuldigwerden. Mit einigem Abstand zum Schreibprozess fallen mir nun diese hellen Partien wieder viel mehr auf. Und schliesslich führt ja auch die Wandlung der Ich-Erzählerin am Schluss wieder ins Helle.

Ist das Buch, aus dem Sie so oft gelesen haben, für Sie inzwischen ein anderes geworden?

Es ist seltsam, ja. Wenn du ein Buch herausgibst, gehört es nicht mehr dir. Du musst es neu entdecken. Das Blättern darin, die Haptik … Ich bin manchmal erstaunt und lese es wie das Werk eines anderen Menschen. Ich kenne inzwischen fast jede Zeile auswendig.

Was bedeutet es Ihnen, nun im Glarnerland zu lesen?

Durch die Heirat mit Perikles bin ich Glarnerin, unsere Kinder auch. Es ist ein Heimspiel – und ein Highlight für mich, weil mir Glarus so viel bedeutet, ich dort Menschen und ihre Schicksale, ihre Geschichten kenne. Da ich meine Kinderbücher im Baeschlin Verlag publiziere, ist es auch für mich als Autorin eine Heimat und meine Verlegerin Gaby Ferndriger ist mir eine Freundin geworden. Ich freue mich riesig.

Es heisst immer, der Buchmarkt sei in einer Krise, Verlage und Autoren darbten. Was motiviert Sie, sich genau hier einzusetzen?

Ich glaube an die Kraft einer lebendigen Kultur, um die Welt besser zu machen. Kunst kann erziehen. Kunst kann auch Heimat geben, wir können als Verlag Gastgeber sein für Autoren, die Wichtiges zu sagen haben. Das ist eine vornehme Aufgabe, wenn auch sicher nicht lukrativ. In der Schweiz ist Schreiben und Publizieren vielleicht ein wirtschaftliches Wagnis. Aber immer noch ein ganz schön heiles Unterfangen, wenn man sich überlegt, welchen Gefahren man sich damit in Diktaturen aussetzen würde.

Was macht es aus, dass Deutsch nicht Ihre Muttersprache ist?

Ich liebe die deutsche Sprache. Meine Hochachtung vor ihr gebietet es, dass ich ihre Möglichkeiten immer wieder bewusst reflektiere und erkunde. Kann ich dies oder das auf Deutsch genau so ausdrücken, wie ich es auf Rumänisch sagen würde? Ich muss immer achtsam sein. Schreiben ist wie ein Traumbild, eine flüchtige Impression, festhalten zu wollen. Das macht sich nicht von allein, es ist eine grosse Anstrengung, das in Sprache zu fassen. Übrigens: Mein Weg aus der Diktatur lief parallel mit der Entwicklung der Sprache – am Anfang stand beidseits eine «Sprachlosigkeit». Da war es ein grosses Geschenk, sich mithilfe der Sprache ermächtigen zu können. Eine Liebesgeschichte.

Lesung von Dana Grigorcea, 25. März, 20 Uhr, Landesbibliothek Glarus.
Infos: office@baeschlin.ch, Telefon 055 640 11 25.

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