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Im Aikido Dojo in Chur die Kunst der Bewegung lernen

Das Aikido Dojo Chur feiert sein 25-jähriges Bestehen – wie wichtig es ist, sich selbst und das Gegenüber zu spüren.

Bündner Woche
26.10.23 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit
Aikido-Lehrer Koni Reutimann beim Training.
Aikido-Lehrer Koni Reutimann beim Training.
Jasmin Klucker

Von Jasmin Klucker

Von Japan nach Europa und weiter nach Chur. Von weit her kommt die Kampfsportart Aikido. Obwohl Kampfsport wohl nicht ganz der passende Ausdruck für diesen Sport ist, wie sich bei einem Besuch im Aikido Dojo in Chur zeigt. Dieses feiert heuer sein 25-jähriges Bestehen. Einer, der sich bereits vor 35 Jahren dem Aikido verschrieben hat, ist Koni Reutimann. Er besitzt den 6. Dan und bezeichnet den Sport als Kunst der Bewegung. In einem Kreis vor dem Dojo in Chur sitzen Koni Reutimann, Dojo Gründer, neben ihm Peter Möller, 2. Dan und Präsident ad Interim, und für die Leitung des Kindertrainings, Susan Möhri, 2. Dan. Alle sitzen sie da, mit aufrechter Haltung und erzählen von ihrer Leidenschaft, bevor das Training losgeht.

Zuerst, was heisst Dan? «Das sind die verschiedenen Stufen, die man im Aikido durchmacht, insgesamt sind es sechs Schülergrade (Kyu), man beginnt mit dem Kyu und arbeitet sich hoch bis zu den Dan Graden, bei denen der Zehnte meist der höchste ist», erklärt der Dojo Gründer.

Koni Reutimann durfte schon auf der ganzen Welt Aikido ausüben. Jede Begegnung sei dabei anders. Das Gegenüber nimmt mit seinem Hintergrund und seinem Charakter einen besonderen Platz ein im Aikido. «Alle, die Aikido praktizieren, sind lebenslang daran zu lernen und zu wachsen. Das gemeinsam zu erleben ist etwas wirklich Schönes und macht diesen Sport schon sehr besonders», sagt er.

Sein ursprünglicher Lehrer (Sensei) kam aus Liechtenstein, ein totaler Freigeist, wie Koni Reutimann sagt. Er war der Meinung, dass Aikido über die Grenze hinaus getragen werden sollte, und so entstand ein Dojo-Verband über das Dreiländereck Liechtenstein, Schweiz und Österreich.

Im Aikido werden Holzschwerter eingesetzt.
Im Aikido werden Holzschwerter eingesetzt.

Ein grosser Mann mit einem weissen Gewand und einer Sporttasche läuft neben den drei Anwesenden im Gang vorbei und öffnet die Türe zum Dojo Chur. Schon viele Leute trainieren an diesem Montagabend. Wie kam das Dojo nach Chur? «Früher war der Judo-Club in diesem Raum, als bei denen ein Lehrer gefehlt hat, wurde mein damaliger Lehrer gefragt, ob er jemand hätte, der diesen Job übernehmen möchte. Weil er selbst keine Zeit dafür hatte, fragte er mich», erzählt der Dojo-Gründer. «Erst nach und nach kamen wir zu diesem Dojo, zuerst im untersten Stock, jetzt zuoberst. Um das zu ermöglichen, brauchte es viele Menschen, die bereit waren, viel zu geben. Wir alle tragen Aikido weiter. Es braucht nicht nur ein Lehrer, es braucht Menschen, die es lernen wollen.» Susan Jöhri setzt das Gespräch fort. «Ich bin zuständig für die Kinder in diesem Dojo, sie können im Alter von sechs Jahren mit Aikido beginnen. Es ist schön, zu sehen, wie Kinder durch den Sport immer mehr Selbstvertrauen gewinnen, wie sie mit Konflikten im echten Leben umgehen und wie sie daran wachsen.» Aikido kennt keine Altersgrenzen. Das bestätigt Peter Möller, der mit einem grossen Lachen in die Runde schaut. «Aikido hat einen handfesten Nutzen, deine Beweglichkeit entwickelt sich körperlich wie auch geistig weiter, das ist etwas sehr Wertvolles. Natürlich verändert sich die Beweglichkeit im Alter, das Aikido, das ein 25-Jähriger macht, ist nicht das Gleiche wie meines, aber trotzdem ist es möglich gemeinsam zu trainieren.» Einer der Hauptansprüche von Aikido ist, sich auf seinen Partner oder seine Partnerin einzulassen. Es gibt jeweils eine Person, die die Übung leitet, der Tori (Lehrer) und eine Person, die die Übung ermöglicht, der Uke (derjenige, der die Haupthandlung empfängt). Die Rollen werden aber immer wieder getauscht. Der Uke hat die Aufgabe, dem Tori die Gelegenheit zu bieten, um zu üben. Braucht es einen speziellen Charakterzug für Aikido? Alle drei schauen einander an und sind sich einig. Grundsätzlich kann es jeder und jede. Es braucht einfach eine grosse Bereitschaft, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und das auf eine gewaltfreie Art. Den Frieden zu suchen mit sich selbst und denen um uns herum, das ist eine Grundbasis, die man mitbringen sollte. Wachsen tut man erst beim Ausüben des Sports. «Man versucht, Konfliktlösungen im Dojo zu üben, und das Ziel ist es, das was man im Dojo lernt, auch in sein privates Leben mitzunehmen. Dass man die eigene Haltung bewahren kann, ohne die anderen zu verletzten. Das ist eine Grundhaltung, die zu einer Charaktereigenschaft werden kann», sagt Koni Reutimann.

Koni Reutimann lebt im Jetzt, nicht in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit.
Koni Reutimann lebt im Jetzt, nicht in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit.

Aikido wird auf der ganzen Welt praktiziert. Auf die Frage, ob es unterschiedliche Formen des Aikidos gibt, antwortet der Dojo-Leiter: «Es gibt Style-Unterschiede, die sind zum Teil erheblich. Sie hängen viel von der persönlichen Ausrichtung vom jeweiligen Sensei oder dem Dojo ab. Ich hatte verschiedene Sensei in meinem Leben, von sehr traditionell bis aufgeschlossen. Mein Aikido hat sich in den 35 Jahren sehr verändert. Jetzt ist es etwas ganz Weiches wie Wasser, das überall hineingelangt und sich schlussendlich mit allem auseinandersetzen kann.» Die Umgebung, in der man Aikido mache, sei ein sehr wichtiger Punkt. Ein Schweizer praktiziere anders Aikido als ein Israeli, weil er einen ganz anderen Kontext dazu habe. Er lebe im ständigen Konflikt, Kampf habe bei ihm eine stärkere Bedeutung als Kunst und bei uns Schweizer sei es genau umgekehrt. «Es ist darum sehr wichtig, als Lehrer verschiedene Aikido-Arten gesehen zu haben», sagt Koni Reutimann. Zu sehen ist ein gutes Stichwort. Vom Gang gehen wir ins Dojo, wo alle konzentriert in Zweiergruppen trainieren. Man hört nur die tiefen Atemzüge und den Ton vom Aufprall auf den Boden, ansonsten ist es ruhig. Beim Aikido geht es nicht primär ums Kämpfen, es ist viel mehr eine Art Kunst mit dem eigenen Körper. Es geht um Präsenz und darum, nicht zu werten. Dazu kommt, das Gegenüber nicht zu verurteilen. Schöne Werte, die Koni Reutimann und seine Kolleginnen und Kollegen nach Chur, Graubünden und in die Welt hinaus tragen wollen.

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