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Der Problemvogel: Es gibt immer mehr Tauben in Chur

Zu viele Tauben führen in der Stadt zu Problemen, gleichzeitig gehören sie zum Stadtbild dazu. Wie prekär ist die Situation? Wir haben nachgefragt.

Bündner Woche
06.10.23 - 11:09 Uhr
Leben & Freizeit
Traubenpopulation: Die Tauben sonnen sich an der Plessur.
Traubenpopulation: Die Tauben sonnen sich an der Plessur.
Bild Annina Hartmann

Von Cindy Ziegler

«Bitte nicht füttern».

Diesen Aufruf startete die Stadt Chur vor gut eineinhalb Jahren, um die Taubenpopulation einzudämmen. Wie erfolgreich diese Aktion war, wollten wir herausfinden und haben mit dem Ornithologen vom Amt für Jagd und Fischerei Graubünden, Sergio Wellenzohn, gesprochen.

Sergio Wellenzohn, im Frühling 2022 musste in der Stadt Chur der Taubenbestand eingegrenzt werden. Hat sich seither die Lage entspannt?

Sergio Wellenzohn: Es gilt, dies differenziert zu betrachten. Auf dem Bahnhofsareal hat sich die Lage normalisiert. Wobei eine Entspannung der Lage während der Sommerzeit auch normal ist. Zu dieser Zeit halten sich viele Strassentauben auf den Feldern im Umland der Stadt auf. Aus anderen Churer Stadtquartieren wurden jedoch diesen Sommer mehr Meldungen über die störende Anwesenheit von Strassentauben gemeldet als in anderen Jahren.

Auf dem Bahnhofsareal hat sich die Situation also durch Nichtfütterung beruhigt. Wäre dies auch eine Möglichkeit in den Quartieren oder gibt es noch andere Möglichkeiten, um den Bestand zu regulieren?

Im Prinzip ist Nichtfüttern die beste Möglichkeit zur Regulierung eines Bestandes. Die Entnahme von Individuen wiederum ist sehr schwierig, da im Stadtgebiet oftmals auch aus Sicherheitsgründen keine Abschüsse infrage kommen und beim Fallenstellen innerhalb von kurzer Zeit ein Lerneffekt eintritt. Da für die Stadt Chur und das AJF (Amt für Jagd und Fischerei) das Tierwohl der Strassentauben an erster Stelle steht, können weiter Entnahmepraktiken nicht gebilligt werden.

Auch andere Städte haben ein Taubenproblem. Basel zum Beispiel will Taubenschläge errichten und dann den Tauben einen Teil der Eier wegnehmen, um den Bestand zu regulieren, ist das auch eine Möglichkeit in Chur?

Die Stadt Chur betreibt seit Jahren einen Taubenschlag im Martinsturm (Details siehe Box). Dort wird die Regulation mit blinden Eiern schon lange betrieben. Dennoch gibt es natürlich in der Stadt überall Winkel, wo sich Strassentauben unkontrolliert ansiedeln können, und so ist der Taubenschlag nicht der einzige Brutplatz der Strassentauben in Chur.

Es werden also einige Bestrebungen gemacht, um den Taubenbestand zu regulieren. Warum eigentlich? Warum sind die Strassentauben problematisch?

Es gibt verschiedene Gründe, warum Strassentauben als problematisch gelten.
Im Bereich des Bahnhofes besteht vor allem ein Problem mit der Infrastruktur (Elektroinstallationen und Ähnliches), die durch die Tauben und den Taubenkot beschädigt werden könnte. Bei Restaurants wiederum kann ein Problem im Bereich der Lebensmittelhygiene entstehen, wenn die Tauben beim Fliegen die Tische und Nahrungsmittel verunreinigen. Liegenschaftsbesitzer stören sich meist am Taubenkot auf der Terrasse, wobei vor allem ein optisches Problem vorliegt.

Sergio Wellenzohn im Interview mit der «Bündner Woche».
Sergio Wellenzohn im Interview mit der «Bündner Woche».
Bild Amt für Jagd und Fischerei

Wenn wir gerade bei den Liegenschaften sind, da sind auch vermehrt Türkentauben zu sehen. Diese sind grauer als die Stadttauben und haben einen anderen Ruf. Aktuell noch vereinzelt zu sehen, könnten diese auch problematisch werden?

Bei der Strassentaube handelt es sich um eine andere Vogelart als bei der Türkentaube, die ihr Verbreitungsgebiet seit 1930 aus eigener Kraft stark ausweiten konnte und seit 1965 auch in Chur brütet. Der Habitus dieser Art unterschiedet sich stark von jenem der Strassentaube.

Einerseits tritt sie nicht in grossen Schwärmen auf, andererseits brütet sie paarweise auf Bäumen, wobei sie vor allem Nadelbäume bevorzugt. Aus diesem Grund ist ihr Erscheinen weitaus weniger problembehaftet. Einzig der Ruf, der sehr fleissig vorgetragen wird, scheint einzelne Personen zu stören.

Um nochmals auf die Stadttauben beziehungsweise verwilderten Haustauben zurückzukommen. Wo liegt hier der Unterschied?

Es gibt keinen Unterschied zwischen Haustauben und Stadttauben. Es sind zwei verschiedene Bezeichnungen für dasselbe Tier. Die Stammform ist die heute noch im Mittelmeerraum lebende Felsentaube, die im Übrigen im Bestand gefährdet ist. Aus dieser Stammform wurden dann verschiedenste Sorten gezüchtet. Ab dem Mittelalter hielten diese Zuchtformen auch Einzug in die Städte nördlich der Alpen. Hier wurden sie aus verschiedenen Gründen gezüchtet, meist um sie als Nahrungsquelle zu nutzen oder auch als Brieftauben. Mittlerweile werden die Tauben nicht mehr genutzt, gelten aber als Bereicherung des Stadtlebens.

Und wie gross ist der aktuelle Bestand in der Stadt Chur?

Zurzeit haben wir keine exakten Zahlen zu dem Bestand in Chur.

Hier sind ein paar Tauben im Martinsturm zu sehen.
Hier sind ein paar Tauben im Martinsturm zu sehen.
Bild Stadt Chur

Kulturgut

Jede alte Stadt in der Schweiz hat Taubenschläge, dies ist eine Tradition und gehört zum Kulturgut. Da werden die Tauben auch von der Stadt gefüttert und brauchen keine zusätzliche Nahrung durch Passanten. Grosse Städte haben mehrere Taubenschläge, in der Bündner Hauptstadt gibt es einen Taubenschlag. Dieser befindet sich im Turm der Martinskirche und wird seit 27 Jahren von Taubenwart Robert Berger betreut. Seine Aufgabe ist es, die Tauben zu füttern, die Gesundheit zu überprüfen und vor allem den Taubenschlag zu putzen, um die Vermehrung von Krankheiten zu verringern. Zusätzlich kann durch einen Taubenschlag auch die Anzahl der Jungtiere gesteuert werden, indem die Taubeneier durch Eierattrappen ausgetauscht werden.

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